Diabetes mellitus ist eine der häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2015 zu Folge leiden etwa 7,6 Millionen Menschen (inklusive Dunkelziffer) an dieser Krankheit. Etwa 95 Prozent der Erkrankten leiden dabei an Typ-2-Diabetes, etwa fünf Prozent an Typ-1-Diabetes und ein sehr kleiner Prozentsatz an anderen Arten der Erkrankung. Unter Diabetes mellitus versteht man einen Defekt in der Insulinproduktion oder Insulinwirkung, wodurch ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel auftritt.
Die Funktion des Insulins besteht in der Absenkung des Blutzuckerspiegels. Ist der Blutzuckerspiegel erhöht (zum Beispiel nach einer Mahlzeit), löst das eine Insulinausschüttung durch die B-Zellen der Bauchspeicheldrüse aus. Über verschiedene Signalwege vermittelt Insulin den Transport der Glukose aus dem Blut in Muskel-, Leber- oder Fettzellen. Mittels dieses Mechanismus wird der Blutzuckerspiegel deutlich gesenkt. Der Gegenspieler des Insulins ist das Glukagon. Dieses wird ausgeschüttet, wenn der Blutzuckerspiegel abfällt und bewirkt eine Freisetzung der eingelagerten Reserven.
Diese Form des Diabetes manifestiert sich typischerweise zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr. Die höchste Neuerkrankungsrate liegt dabei im Alter von 15 bis 19 Jahren. In der Regel geht der Manifestation eine lange prädiabetische Phase voraus, in der sich die betroffene Person unauffällig zeigt. In diesen Fällen kommt die Erkrankung durch eine Infektion oder eine Verletzung zum plötzlichen Ausbruch. Der Typ-1-Diabetes ist durch einen nahezu kompletten Insulinmangel charakterisiert. Grund dieses Mangels ist eine Zerstörung der B-Zellen in der Bauchspeicheldrüse, welche für die Produktion von Insulin verantwortlich sind. Diese Zerstörung tritt in den meisten Fällen durch einen Autoimmunprozess ein. Unter einem Autoimmunprozess versteht man eine Erkrankung, bei welcher das Immunsystem Teile des eigenen Körpers als fremd erkennt und beseitigen möchte. Im Fall des Typ-1-Diabetes werden häufig die B-Zellen oder das gebildete Insulin als fremd erkannt. Bei der Entstehung der Autoimmunreaktion spielen genetische Faktoren eine Rolle, die Manifestation der Erkrankung kann durch Virusinfektionen beschleunigt werden.
Der Typ-2-Diabetes entwickelt sich typischerweise erst ab dem 40. Lebensjahr. Die meisten Erkrankten sind in der Altersgruppe der 70- bis 75-jährigen zu finden. Die Erkrankung tritt meist eher schleichend auf oder wird zufällig bei einer Routine-Untersuchung entdeckt. Anders als beim Typ-1-Diabetes besteht bei dieser Erkrankung kein absoluter Insulinmangel, sondern eine Insulinresistenz. Für das Auftreten der Insulinresistenz spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Die genetische Veranlagung ist stärker ausgeprägt als bei Typ-1-Diabetes. Um Glukose bei vorhandener Insulinresistenz normal verwerten zu können, wird die Insulinausschüttung erhöht. Daraus resultiert ein ständiges Hungergefühl, welches zu Über- und Fehlernährung führt. Gemeinsam mit Bewegungsmangel kommt es zu Übergewicht. Übergewicht ist der größte Risikofaktor für das Entstehen eines Typ-2-Diabetes. Das gespeicherte Fettgewebe greift aktiv in den Stoffwechsel ein, indem es die Insulinausschüttung in der Bauchspeicheldrüse verstärkt. Über diesen Mechanismus kann die Insulinresistenz für einige Zeit kompensiert werden. Dennoch ist bei einem normalen Blutzuckerspiegel ein erhöhter Insulinspiegel (Hyperinsulinämie) festzustellen. Mit fortschreitender Entwicklung nimmt die Insulinresistenz immer stärker zu. Sobald eine verminderte Toleranz für Glukose besteht, spricht man von dem Metabolischen Syndrom. Nimmt der Insulinbedarf zur Senkung des Blutzuckerspiegels stark zu, spricht man von einem Typ-2-Diabetes mit relativem Insulinmangel. Bei Nichtbehandlung kompensiert der Körper den erhöhten Insulinbedarf durch eine erhöhte Aktivität der insulinproduzierenden B-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Dadurch können diese „Ausbrennen“ und Absterben, wodurch ein Typ-2-Diabetes mit absolutem Insulinmangel auftreten kann.
Neben den zwei häufigsten Arten können auch andere Typen vorkommen. Dazu zählen genetisch veranlagte Defekte der B-Zellen der Bauchspeicheldrüse (Formen des MODY-Diabetes). Dabei handelt es sich um eine seltene Sonderform des Typ-2-Diabetes, welche sich meist vor dem 25. Lebensjahr manifestiert. Eine weitere Sonderform ist der sogenannte Gestationsdiabetes. Darunter versteht man das Auftreten eines Diabetes während der Schwangerschaft (Gestation). Die Erkrankung tritt bei etwa zwei bis drei Prozent aller Schwangeren auf und klingt in 90 Prozent der Fälle nach der Schwangerschaft wieder ab.
Die klassischen Symptome einer Diabetes-Erkrankung treten durch den Insulinmangel auf. Aus diesem Grund manifestiert sich der Typ-1-Diabetes schneller in deutlichen Symptomen als der Typ-2-Diabetes. Zu den klassischen Symptomen zählen:
In besonders schweren oder akut auftretenden Fällen kann es zu einem „Coma diabeticum“ kommen. Durch einen sehr stark erhöhten Blutzuckerspiegel treten dabei Bewusstseinsstörungen auf.
Durch Schädigungen der Blutgefäße nimmt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark zu. Außerdem ist die Anfälligkeit gegenüber Infektionen erhöht. Durch einen Befall der Netzhaut kann eine Erblindung eintreten. Zudem kann die Nierenfunktion stark eingeschränkt werden. Durch einen Befall von Nervenzellen kann es zu neurologischen Ausfallerscheinungen kommen. Das Zusammenspiel verschiedener Spätkomplikationen kann zu einem „diabetischer Fuß“ führen.
Die beiden wichtigsten Risikofaktoren sind Bewegungsmangel sowie Fehlernährung. Beide können zum Übergewicht führen. Ein wesentlicher Faktor, der ebenfalls zur Entstehung von Übergewicht beiträgt, ist das Rauchen. Die durch das Übergewicht neu entstandenen Fettzellen greifen aktiv in den Stoffwechsel ein und verstärken so die Insulinresistenz. Übergewicht und Insulinresistenz kann man zusammen mit einem erhöhtem Blutdruck und einem gestörten Verhältnis der Hyperlipoproteine (wie zum Beispiel der Cholesterinspiegel) zum „Metabolischen Syndrom“ zusammenfassen. Dieses wird als Vorstufe des Typ-2-Diabetes angesehen.
Das Ziel der Therapie ist eine Senkung des HbA1c-Spiegels. HbA1c entsteht aus Hämoglobin (Hb), dem Sauerstofftransporter unseres Blutes in den roten Blutkörperchen. Durch den hohen Blutzuckergehalt bei einer an Diabetes erkrankten Person wird das Hämoglobin durch Anhängen einer Zuckerkette (Glykierung) verändert. Durch die Messung des HbA1c-Spiegels in Relation zum gesamten Hämoglobin-Spiegel können Rückschlüsse darauf getroffen werden, wie stark der Blutzuckerspiegel in der letzten Zeit erhöht war. Das HbA1c dient damit als „Blutzuckergedächtnis“. Wird der HbA1c-Spiegel gesenkt, sinkt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Folgeerkrankungen. Um dieses Absenken zu erreichen, stehen verschiedene therapeutische Maßnahmen zur Verfügung, die vor allem auf eine Normalisierung des Blutzuckerspiegels abzielen. Wichtigster Faktor ist meist eine angepasste Ernährung. So sollen vor allem langkettige Zucker (zum Beispiel aus Vollkornbrot, Haferflocken, Gemüse) zu sich genommen werden, da diese langsamer ins Blut übergehen und den Blutzuckerspiegel nicht so schnell erhöhen. Wichtig ist auch, dass auf versteckte Fette (vor allem in Wurstwaren) geachtet wird. Zudem sollte von übermäßigem Alkoholkonsum abgesehen werden. Ein zweiter wichtiger Pfeiler in der Therapie ist die Motivation zu einer regelmäßigen körperlichen Betätigung. Vor allem Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen sind besonders für eine Normalisierung des Blutzuckerspiegels geeignet. Sportliche Betätigung fördert neben der körperlichen Gesundheit auch die Lebensfreude, da vor allem über den Sport auch viele soziale Kontakte geknüpft werden können. Kann der Hb1Ac-Spiegel über diese Wege nicht gesenkt werden, ist auch eine medikamentöse Therapie in Betracht zu ziehen. Dabei können entweder die Glukoseaufnahme über den Darm gehemmt (Metformin) oder die Insulinausschüttung der B-Zellen verstärkt (Sulfonylharnstoffe) werden. Bei Typ-1-Diabetikern oder bei Nichtanschlagen aller anderen Therapien bei Typ-2-Diabetikern, wird meist die direkte Gabe von Insulin in Betracht gezogen.
Gerlach, U., Wagner, H., & Wirth, W. (2015). Innere Medizin für Pflegeberufe. Georg Thieme Verlag.
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Schinner, S., Ülgen, F., Papewalis, C., Schott, M., Woelk, A., Vidal-Puig, A., & Scherbaum, W. A. (2008). Regulation of insulin secretion, glucokinase gene transcription and beta cell proliferation by adipocyte-derived Wnt signalling molecules. Diabetologia, 51(1), 147-154.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Diabetes. Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.