Wenn Medikamente miteinander interagieren, das heißt, wenn sie ihre Wirkung gegenseitig beeinflussen, verändern oder abschwächen, spricht man von einer Wechselwirkung. In einigen Fällen können solche Wechselwirkungen erwünscht sein, meistens aber wirken sie sich eher negativ auf den Zustand des Patienten und den Erfolg einer medikamentösen Therapie aus. Um solche Effekte zu verhindern, ist gerade bei Patienten, die auf viele verschiedene Arzneien angewiesen sind, eine vollständige Dokumentation aller eingenommenen Wirkstoffe notwendig. So können Ärzte und Apotheker problemlos prüfen, ob Gesundheitsrisiken bestehen. Für Patienten gibt es die Möglichkeit, online oder mithilfe von Apps einen Wechselwirkungscheck durchzuführen.
Als Arzneimittelwechselwirkung oder Arzneimittelinteraktion bezeichnet man die Veränderung der Wirkung eines Arzneimittels durch ein anderes. Man unterscheidet dabei zwischen pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Interaktionen. Pharmakokinetische Interaktionen sind solche Wechselwirkungen, die die Resorption (Aufnahme), Verteilung oder Elemination (Ausscheidung) eines Medikaments betreffen. Die Wirkung wird dabei entweder abgeschwächt (Interferenz) oder verstärkt (additiver Effekt), beziehungsweise verkürzt oder verlängert. Ein populäres Beispiel für eine Interferenz ist die Verminderung der Resorptionsfähigkeit der Magenschleimhäute durch Säureblocker zur Behandlung von Sodbrennen. Pharmakodynamische Interaktionen dagegen treten auf, wenn beide Wirkstoffe an derselben Struktur oder am selben Organ ihre Wirkung entfalten. Das betrifft unter anderem Patienten, die aufgrund eines erhöhten Herzinfarktrisikos geringe Dosen ASS (Acetylsalicylsäure) einnehmen. Diese Menschen sollten auf Ibuprofen zur Schmerzbehandlung und Fieberbekämpfung verzichten, denn beide Arzneien entfalten ihre Wirkung an den Thrombozyten (Blutplättchen). ASS soll verhindern, dass die Thrombozyten sich zusammenballen und so ein Blutgerinnsel entsteht, das zu einem Infarkt führen kann; Ibuprofen aber schwächt die gewünschte Wirkung ab. Sehr selten sind Arzneimittelinteraktionen auch erwünscht; so erzeugen beispielsweise erst mehrere Präparate in Kombination die optimale Wirkung bei der Behandlung von Bluthochdruck. Wechselwirkungen kann es außerdem mit Nahrungs- oder Genussmitteln geben. Grapefruitsaft und Alkohol verstärken beispielsweise die Wirkung von Schlafmitteln.
In der folgenden Übersicht sind einige bekannte und häufig auftretende Wechselwirkungen von Arzneien beziehungsweise Interaktionen von Nahrungs- und Genussmitteln mit Arzneien aufgelistet:
Medikament/Nahrungsmittel | Wechselwirkung |
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Abführmittel | verstärkt die Wirkung von bestimmten Medikamenten zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche |
Antacida (zur Behandlung von Sodbrennen) | verringert die Wirkung verschiedener Medikamente wie beispielsweise Antibiotika oder solche zur Behandlung von Herzschwäche und Epilepsie |
Kalzium, Eisen, Magnesium, Zink (zur Nahrungsergänzung) | verringert die Wirkung von Antibiotika |
Johanniskraut (zur Behandlung von depressiven Verstimmungen und Schlafstörungen) | verringert die Wirkung der Antibabypille, der „Pille danach“ und von Virusstatika |
Kohletabletten (zur Behandlung von Durchfall) | verringert die Wirkung von bestimmten Medikamenten zur Behandlung von Epilepsie |
Grapefruitsaft | verstärkt die Wirkung von Medikamenten wie beispielsweise Kopfschmerz- und Schlafmittel und Medikamente zur Senkung der Blutfettwerte bis zu 70 % |
Alkohol | verstärkt die Wirkung bestimmter Schlaf- und Beruhigungsmittel; verstärkt die Nebenwirkungen bestimmter Antiallergika |
Lebensmittel mit hohem Vitamin-K-Gehalt (Spinat, Brokkoli, Kohl, Sauerkraut, Innereien) | verringert die Wirkung bestimmter blutverdünnender Medikamente |
Koffein | beeinflusst die Wirkung von Medikamenten zur Behandlung psychischer Störungen wie zum Beispiel Neuroleptika |
Lakritze | erhöht den Blutdruck und verringert damit die Wirkung blutdrucksenkender Medikamente |
Kaffee oder schwarzer/grüner Tee | hemmt die Aufnahme von Eisen im Darm und beeinflusst damit die Wirkung eisenhaltiger Präparate zur Behandlung von Blutarmut |
Ja, Wechselwirkungen stellen nicht nur ein ernsthaftes, sondern auch ein vermeidbares Gesundheitsrisiko dar. Laut einer 2012 veröffentlichten Studie verursachen 2 Prozent aller in Deutschland jährlich ausgestellten Rezepte (9,4 Millionen von 470 Millionen) Arzneimittelinteraktionen. 30 Prozent dieser Interaktionen (2,82 Millionen) werden als potentiell gesundheitsgefährdend eingestuft; wiederum 30 Prozent (0,846 Millionen) führen zu Krankenhausaufenthalten, wovon nochmals 30 Prozent (253.800) durch gewissenhafte Arzneimitteldokumentation vermeidbar gewesen wären. Das ergibt insgesamt 518 Millionen Euro entstandene Kosten für das Gesundheitssystem, die man hätte einsparen können.
Gerade ältere Menschen leiden häufig unter mehreren Erkrankungen gleichzeitig. Medikamente gegen Diabetes, Herzschwäche und Rheuma werden dann zum Beispiel mit Säureblockern gegen Sodbrennen, Ibuprofen gegen Schmerzen oder mit Schlafmitteln kombiniert. Dazu kommt, dass Patienten in Anamnesegesprächen nicht verschreibungspflichte Arzneien, die sie einnehmen, häufig nur unzureichend angeben. Wechselwirkungen sind in solchen Fällen sehr wahrscheinlich und treten nachweislich immer wieder auf. Je nach Nieren- und Leberfunktion und Allgemeinzustand des Patienten, können diese unerwünschten Effekte sogar dazu führen, dass der Patient zum dauerhaften Pflegefall wird oder gar verstirbt.
Das erst kürzlich in Kraft getretene E-Health-Gesetz sieht die Einführung eines bundeseinheitlichen Medikationsplanes vor. Seit 2016 hat jeder Patient, der mindestens drei Medikamente über einen Zeitraum von mindestens 28 Tagen gleichzeitig einnimmt, einen Anspruch auf einen Medikationsplan. Dort sind alle Arzneien aufgelistet, sodass Ärzte und Apotheker ohne Umstände überprüfen können, ob es zu unerwünschten Interaktionen zwischen den verschiedenen Medikamenten kommen kann. Der Medikationsplan ist mit einem Barcode versehen, der in jeder Praxis oder Apotheke ausgelesen werden kann, sodass die kurzfristige Aktualisierung des Planes stets möglich ist. Im Augenblick gibt es den Medikationsplan (Medikationsplan online anlegen) nur auf Papier; ab 2018 soll er aber auch digital verfügbar sein und mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ausgelesen werden können.
Um zu überprüfen, ob eingenommene Medikamente miteinander interagieren, verwenden Ärzte häufig die sogenannte „Rote Liste“, ein Verzeichnis aller auf dem Markt erhältlichen Medikamente und Wirkstoffe, in dem auch potentielle Wechselwirkungen aufgelistet sind. Selbst Mediziner und Pharmakologen sind nicht imstande, alle denkbaren Wechselwirkungen zu kennen und jederzeit in Erinnerung zu behalten. Sie müssen auf Hilfsmittel zurückgreifen. Die „Rote Liste“ ist auch online verfügbar, allerdings nur für Fachkräfte.
Patienten haben die Möglichkeit, in der Packungsbeilage ihrer Arznei nachzusehen, ob unter den Kontraindikationen etwaige Interaktionen mit anderen Medikamenten aufgelistet sind. Außerdem bieten viele Versandapotheken online kostenlose Wechselwirkungschecks an. Die Apotheken-Umschau stellt eine entsprechende Anwendung auf ihrer Website zur Verfügung: http://www.apotheken-umschau.de/Medikamente/Wechselwirkungscheck Der Wechselwirkungscheck ist außerdem in die dazugehörige App „Apotheke vor Ort“ eingebunden, die kostenlos im App Store oder bei Google Play heruntergeladen werden kann. Die App der „Roten Liste“ dagegen ist kostenpflichtig und so wie der Online-Service nur für Fachpersonal verfügbar.
Berg, C., „Ungewollte Schwangerschaften durch Arzneimittel-Interaktionen“: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=1106 (aufgerufen am 15.03.2017)
Böhm, R., Cascorbi, I., Haen, E., Herdegen, T., Reinecke, K., „Arzneimittelinteraktionen“: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2012/daz-36-2012/arzneimittelinteraktionen (aufgerufen am 15.03.2017)
Cascorbi, I., „Drug Interactions. Principles, Examples and Clinical Consequences“: https://www.aerzteblatt.de/int/archive/article?id=128426 (aufgerufen am 15.03.2017)
Kassenärztliche Bundesvereinigung, „Medikationsplan“: http://www.kbv.de/html/medikationsplan.php (aufgerufen am 15.03.2017)
Stiftung Warentest, „Medikamente: Dieser Mix verträgt sich nicht“: https://www.test.de/Medikamente-Dieser-Mix-vertraegt-sich-nicht-1435578-2435578/ (aufgerufen am 15.03.2017)
Wehling, M. (Hrsg.) (2005): Klinische Pharmakologie. Georg Thieme Verlag, S. 21ff.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Wechselwirkungscheck. Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.