Antibiotikaresistenzen werden nicht nur deutschland-, sondern auch weltweit zunehmend zum medizinischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problem. Multiresistente Keime entstehen in Krankenhäusern, aber auch in der Landwirtschaft bei der präventiven Behandlung gesunder Tiere und Pflanzen mit Antibiotika. Um die Entwicklung und Ausbreitung solcher gefährlicher Bakterienstämme einzuschränken, kommt es nicht nur auf die Zusammenarbeit von Gesundheitswesen und Regierung an, sondern auch auf die Mitarbeit jedes einzelnen Patienten (Antibiotikaresistenz verhindern). Hygiene und Aufklärung stehen dabei an erster Stelle.
Als Antibiotikum bezeichnet man Substanzen, die Bakterien abtöten oder deren Vermehrung und Verbreitung verhindern. Diese Substanzen können entweder natürlichen Ursprungs sein, das heißt als Stoffwechselprodukt von Bakterien oder Pilzen vorkommen, oder synthetisch beziehungsweise teilsynthetisch hergestellt werden. Antibiotika wirken ausschließlich bei bakteriellen Infektionen. Gegen Viren, Parasiten, Pilze und Protozoen können diese Medikamente nichts ausrichten. Man unterscheidet zwischen antibiotischen Wirkstoffen, die in den Stoffwechsel der Erreger eingreifen und so deren Vermehrung verlangsamen oder stoppen (bakteriostatisch) und solchen, die beispielsweise durch die Zerstörung der Zellwände Bakterien abtöten (bakterizid). Während Breitbandantibiotika gegen ein breites Erregerspektrum eingesetzt werden können, wirken Schmalspektrum-Antibiotika nur gegen bestimmte Bakterienarten. Seit Ende des 19. Jahrhunderts arbeiten Forscher an der Entwicklung dieser hochwirksamen Medikamente, die gegen Infektionen eingesetzt werden können und die Sterblichkeitsrate unzähliger Erkrankungen signifikant gesenkt haben. Berühmt wurden beispielsweise der deutsche Wissenschaftlicher Paul Ehrlich, der Anfang des 20. Jahrhunderts ein Mittel gegen Spirochäten synthetisierte und der schottische Bakteriologe Alexander Fleming, der 1928 durch ein Versehen die antibiotische Wirkung des Schimmelpilzes Penicillin entdeckte. Noch heute wird an der Entwicklung neuer antibiotischer Wirkstoffe gearbeitet.
Als multiresistente Keime werden Bakterien bezeichnet, die Resistenzen gegen bestimmte antibiotische Wirkstoffe ausgebildet haben. Im schlimmsten Fall sind diese Keime so hoch entwickelt, dass kein Antibiotikum mehr Wirkung zeigt. Man spricht dann von „Supererregern“. Die häufigsten und am weitesten verbreiteten multiresistenten Bakterien sind MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken).
Die Entstehung multiresistenter Keime ist komplex und wird von vielen Faktoren beeinflusst. Am Anfang steht eine zufällige Mutation der Bakterien-DNA bei der Vermehrung, die eine Unempfindlichkeit gegen bestimmte antibiotische Wirkstoffe zur Folge hat. Solche mutierten Erreger haben dann anderen Erregern gegenüber einen Selektionsvorteil. Das heißt, sie überleben eine Behandlung mit Antibiotika ohne weiteres und können sich ungehindert fortpflanzen. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit der Entstehung resistenter Keime. Bakterien können unter bestimmten Voraussetzungen nämlich auch untereinander Teile ihrer DNA austauschen. Auf diese Weise werden Resistenz-Gene vom einen zum anderen Bakterium übertragen. Ein einziges mit Resistenz-Faktor ausgestattetes Bakterium innerhalb einer Population kann demnach theoretisch zur Bildung eines ganzen resistenten Stammes führen.
Überall da, wo vermehrt Antibiotika zum Einsatz kommen, haben multiresistente Keime gegenüber anderen einen Selektionsvorteil und können sich schnell verbreiten. Das betrifft vor allem Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, aber auch landwirtschaftliche Betriebe, wo Antibiotika zur Prävention von Erkrankungen bei Tieren und Pflanzen eingesetzt werden. Häufig sind Landwirte, die Massentierhaltung betreiben, Träger solcher Erreger. Jedoch vor allem durch Fleisch von mit Antibiotika behandelten Tieren und rohes Gemüse sorgen dafür, dass die Keime sich schnell ausbreiten. In Krankenhäusern sind mitunter mangelnde hygienische Bedingungen für hohe Infektionsraten mit MRSA und VRE verantwortlich. Problematisch ist auch der übermäßige ambulante Einsatz von Antibiotika bei Erkrankungen, die entweder gar nicht durch Bakterien verursacht werden wie Grippe oder Erkältung oder Infektionen, die auch auf anderem Wege hätten behandelt werden können wie beispielsweise leichte Harnwegsinfekte. Breitbandantibiotika werden häufig ohne medizinische Notwendigkeit verschrieben. Wichtig bei der Einnahme dieser Medikamente ist darüber hinaus die korrekte Dauer der Einnahme. Patienten, die Antibiotika absetzen, sobald die Symptome verschwinden, riskieren ebenfalls Resistenzen.
Die Infektion mit einem multiresistenten Erreger ist nicht immer leicht zu erkennen. Viele Patienten sind Träger des Keims, ohne dass Symptome auftreten (Schnelle Übersicht für Retter). Bei anderen, vor allem bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, kann es zu Hautentzündungen, Wundinfektionen oder Entzündungen von Organen wie der Lunge oder den Harnwegen kommen. In einigen Fäll tritt auch eine Blutvergiftung auf. Tests für den Nachweis von MRSA und VRE werden in der Regel vor allem bei Risikopatienten durchgeführt. Das betrifft Menschen, die nach einem Krankenhausaufenthalt an Symptomen leiden, Menschen in Pflegeeinrichtungen, Dialyse-Patienten, Diabetiker, Patienten mit einem Harnkatheter, Landwirte oder Menschen mit regelmäßigem Kontakt zu landwirtschaftlichen Nutztieren und Menschen, die Kontakt zu Infizierten hatten. Zum Nachweis der Keime wird in der Regel ein Abstrich an der Nasen- oder Mundschleimhaut oder ein Wundabstrich durchgeführt. Der Erreger kann aber auch im Stuhl, im Urin, am Haaransatz, in den Leisten oder unter den Achseln nachgewiesen werden.
Schätzungen der WHO zufolge sterben etwa 250 Menschen weltweit pro Minute an multiresistenten Erregern. Besonders verbreitet sind solche Bakterien in Afrika, aber auch die westliche Welt ist von diesem Problem betroffen. 400.000 bis 600.000 Menschen infizieren sich jährlich in Deutschland; 10.000 bis 15.000 Patienten sterben an den Folgen. Für die Behandlung derartiger Infektionen sind sogenannte Reserveantibiotika vorgesehen. Diese Medikamente kommen nur dann zum Einsatz, wenn alle anderen antibiotischen Wirkstoffe versagen. Doch „Supererreger“ sprechen häufig auch auf Reserveantibiotika nicht an.
Antibiotikaresistenzen sind nicht nur ein medizinisches und gesellschaftliches, sondern auch ein wirtschaftliches Problem. Die Entwicklung neuer Antibiotika kostet viel Geld, ist zeitaufwändig und amortisiert sich aufgrund der relativ kurzen Einnahmedauer der Medikamente erst nach langer Zeit. Deshalb investieren Pharmaunternehmen nur sehr ungern in dieses Forschungsgebiet. Die Verbreitung multiresistenter Erreger wiederum belastet das Gesundheitssystem mit anfallenden Behandlungs- und Pflegekosten.
Schon seit vielen Jahren arbeiten die WHO, die Bundesregierung und das Robert-Koch-Institut intensiv zusammen, um Antibiotikaresistenzen deutschlandweit und international einzudämmen. Zu diesem Zweck hat beispielsweise das Bundesministerium für Gesundheit die „Deutsche Antibiotika Resistenzstrategie“ (DART) entwickelt. Darin sind Maßnahmen zur Bekämpfung multiresistenter Erregerstämme aufgelistet, so beispielsweise die engere Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizinern, die Früherkennung durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen, die Entwicklung neuer antibiotischer Wirkstoffe, die Eindämmung von Infektionen durch Quarantäne und hygienische Sorgfalt, eine umfassendere Patientenaufklärung und die Förderung von Kompetenzen des medizinischen Personals.
Wer sich persönlich vor MRSA und VRE schützen möchte, sollte sich regelmäßig die Hände mit warmem Wasser und Seife reinigen und offene Wunden gut abdecken. Der Kontakt mit Infizierten sollte sofort dem Hausarzt gemeldet werden. Bei Einnahme eines Antibiotikums gilt es darauf zu achten, die vom Arzt verordnete Einnahmedauer genau einzuhalten. Bei Verdacht auf eine Infektion sollte in jedem Fall ein Test zum Nachweis durchgeführt werden. Die wichtigsten Waffen im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen sind noch immer Kommunikation und Aufklärung.
Bundesministerium für Gesundheit, „DART 2020. Antibiotika-Resistenzen bekämpfen zum Wohl von Mensch und Tier“: http://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/Publikationen/Ministerium/Broschueren/BMG_DART_2020_Bericht_dt.pdf (aufgerufen am 13.02.2017)
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Antibiotika“: http://www.infektionsschutz.de/infektionskrankheiten/behandlungsmoeglichkeiten/antibiotika/ (aufgerufen am 13.02.2017)
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „MRSA“: http://www.infektionsschutz.de/erregersteckbriefe/mrsa/ (aufgerufen am 13.02.2017)
Mayr, A. (Hrsg.) (2007). Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. Thieme Verlag, S. 379ff.
Robert Koch Institut, „Antibiotikaresistenz“: http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/Antibiotikaresistenz.html (13.02.2017)
Robert Koch Institut, „Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillinresistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen“ in: Bundesgesundheitsblatt 2014, Springer Verlag: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Downloads/MRSA_Rili.pdf?__blob=publicationFile (aufgerufen am 13.02.2017)
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Antibiotikaresistenz. Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.