Der Internationale Epilepsie Notfallausweis (IENA) wurde entwickelt, um Epilepsie-Patienten die Möglichkeit zu geben, Ersthelfer und Notfallmediziner über ihre Erkrankung zu informieren. So kann im Ernstfall die dringend notwendige medizinische Behandlung umgehend eingeleitet werden. Ein epileptischer Anfall ist nur dann ein Notfall, wenn die Gefahr besteht, dass ein Status epilepticus vorliegt. Ersthelfer sind dazu angehaltenen, Epilepsie-Patienten nicht allein zu lassen und vor Verletzungen zu bewahren.
Das Gehirn besteht hauptsächlich aus einem komplexen System von Nervenzellen (Neuronen). Diese kommunizieren miteinander durch genau getaktete chemische und elektrische Signale. Zu einem epileptischen Anfall kommt es bei einer spontanen, gleichzeitigen elektrischen Aktivität vieler miteinander verbundener Neuronen. Solche Anfälle können entweder bestimmte Gehirnregionen (fokaler Anfall) oder beide Hirnhälften gleichermaßen (generalisierter Anfall) betreffen. Es können dabei ganz unterschiedliche Symptome entstehen. Eine Aura ist ein epileptischer Anfall, der nur vom Patienten selbst bemerkt wird. Dabei können Kribbeln, Taubheitsgefühle, unangenehme Empfindungen, die von der Magengegend her aufsteigen (viszerale Aura) oder sogar optische Halluzinationen auftreten. Einige Anfälle führen zu ungewöhnlichem Verhalten und wieder andere verursachen eine sogenannte Absence, d.h. Bewusstseinsverlust und Erinnerungslücken. Die bekannteste Form des epileptischen Anfalls ist der Grand mal, der tonisch-klonisch generalisierte Anfall. Der Grand mal beginnt meist mit einem abrupten Sturz des Patienten. Dessen gesamter Körper ist verkrampft. Es kommt zu einem kurzen Atemstillstand. Schließlich beginnt der Patient unkontrolliert zu zucken. Darauf folgt meist ein tiefer Schlaf oder eine für kurze Zeit anhaltende Verwirrtheit.
Von einer Epilepsie oder einem Epilepsiesyndrom – einer chronischen Erkrankung – spricht man nur dann, wenn bereits mindestens zwei Anfälle aufgetreten sind. Einen einzelnen Anfall, der sich nicht wiederholt, nennt man Gelegenheitsanfall; etwa fünf bis zehn Prozent aller Menschen erleben eine solche isolierte Episode. Eine Epilepsie kann angeboren (idiopathisch) oder erworben (symptomatisch) sein. Ist der epileptische Anfall vorüber, befindet sich das Hirn wieder im Normalzustand.
Der Internationale Epilepsie Notfallausweis (IENA) soll Ersthelfern und Notfallmedizinern die Behandlung eines vorübergehend nicht auskunftsfähigen Epilepsie-Patienten erleichtern. Der Ausweis wurde von der Interessenvereinigung für Anfallskranke Köln (IfA Köln) und dem Verein zur Hilfe Epilepsiekranker in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen, Ärzten und Forschern entwickelt. Es handelt sich dabei nicht um ein offizielles Ausweisdokument, sondern um ein freiwillig mitgeführtes Hilfsmittel. Notfallmediziner finden darin alle Informationen, die sie benötigen, um bei einem Anfall entsprechende Therapiemaßnahmen einzuleiten. Patient und behandelnder Arzt füllen den Ausweis im Idealfall gemeinsam aus. Der Arzt trägt Angaben zum Krankheitsverlauf und zur Notfallbehandlung ein. Der Patient notiert auf dem Ausweis seinen Namen, seine Kontaktdaten und Informationen über alle bisher eingenommenen Epilepsiemedikamente (Wirkstoff, tägliche Dosierung, Dauer der Einnahme), aber auch über andere Medikamente und chronische Erkrankungen, an denen er neben dem Epilepsiesyndrom leidet. Die Korrektheit und Vollständigkeit der auf dem Ausweis vermerkten Informationen kann im Zweifelsfall lebensrettend sein, vor allem dann, wenn ein epileptischer Anfall in einem Umfeld auftritt, in dem Ärzte und Ersthelfer über die Erkrankung des Patienten nicht informiert sind. Daher sollte er im Idealfall in der Brieftasche aufbewahrt werden.
Der Epilepsie Notfallausweis kann bei der IfA Köln als Blankodokument kostenlos bestellt werden. Dazu sind lediglich ein frankierter Rücksendeumschlag und ein Anschreiben notwendig. Alle Informationen zur Bestellung gibt es hier: http://www.epilepsie-online.de/index.php?docid=1759
Nein, eine Alternative zum Notfallausweis gibt es nicht. Ausweisinhabern wird allerdings geraten, zusätzlich eine sogenannte SOS-Kapsel an einer Halskette oder einem Armband bei sich zu tragen. Eine solche Kapsel wird von Ersthelfern meist schneller gefunden als ein Ausweisdokument in der Brieftasche. Die darin enthaltene Information sollte auf das Vorhandensein des Ausweises hinweisen. Dort könnte etwa vermerkt sein: „Epilepsie Notfallausweis befindet sich in der Brieftasche“.
Epileptiker, die besonders häufig unter Anfällen leiden, können von einer Notfall-Stimme profitieren. Dabei handelt sich um ein Gerät in Handygröße, das am Körper getragen wird. Im Falle eines Sturzes, bei krampfartigen Bewegungen oder kontinuierlichem Zittern gibt das Gerät zunächst Warnsignale ab. Hält der Anfall an, wird in angemessener Lautstärke eine kurze Sprachaufnahme wiedergegeben, die Ersthelfer über die Erkrankung und notwendige Maßnahmen informiert. Einige Patienten greifen stattdessen lieber auf einen Sturzmelder zurück. Dieser sendet bei einem mindestens 15 Sekunden andauernden Anfall automatisch ein Funksignal an die Notrufzentrale. Praktischerweise ist an einem Sturzmelder außerdem ein Knopf angebracht, der den Patienten im Ernstfall auch dazu befähigt, selbst Hilfe zu rufen.
Üblicherweise ist ein epileptischer Anfall, auch dann, wenn es sich um einen Grand Mal handelt, kein Notfall. Ärztliche Hilfe ist nur in diesen Fällen erforderlich:
Ersthelfer sollten während des Anfalls die Uhrzeit im Auge behalten, um einen Notarzt rufen zu können, wenn das Zeitlimit von fünf Minuten überschritten ist. Nach fünf Minuten besteht die Möglichkeit, dass ein sogenannter Status epilepticus vorliegt. Der Patient benötigt in diesem Fall dringend ärztliche Hilfe.
Während des Anfalls sollten scharfkantige Gegenstände aus der unmittelbaren Umgebung entfernt werden, um Verletzungen zu verhindern. Falls möglich und nötig sollte der Patient in eine sichere Umgebung gebracht werden, zum Beispiel falls der Anfall beim Überqueren der Straße auftritt. Hält er Gegenstände in der Hand, ist es sinnvoll, diese an sich zu nehmen, falls die Krampfanfälle diese Maßnahme nicht verhindern. Brennende Zigaretten können abgebrochen und enge Kleidung kann gelockert werden. Keinesfalls sollten Ersthelfer versuchen, dem Krampfenden Gegenstände zwischen die Zähne zu schieben. Daraus können schwere Verletzungen resultieren. Während des Anfalls und nach dem Anfall sollte der Patient nicht allein gelassen werden. Viele Epileptiker sind verwirrt, wenn sie wieder zu Bewusstsein kommen. In keinem Fall sollten eigenständig medizinische Maßnahmen ergriffen werden. Im Zweifelsfall und wenn Unsicherheiten bestehen, ist es immer angeraten, einen Notarzt zu rufen (Alle Informationen für den Notfall griffbereit).
Deutsche Epilepsievereinigung, „Erste Hilfe“, http://www.epilepsie-vereinigung.de/epilepsie/erste-hilfe/ (aufgerufen am 11.01.2017)
Deutsche Epilepsievereinigung, „Hilfsmittel“, http://www.epilepsie-vereinigung.de/beruf-und-soziales/leben-mit-epilepsie/hilfsmittel/ (aufgerufen am 11.01.2017)
Hacke, W. (Hrsg.) (2016). Neurologie. Springer Verlag, S. 401ff.
Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Erlangen, „Notfallausweis“, http://www.epilepsiezentrum.uk-erlangen.de/patienten/weitere-interessante-links/notfallausweis/ (aufgerufen am 11.01.2017)
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Epilepsie-Notfallausweis. Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.