Ein Diagnoseschlüssel hilft Ärzten, die Krankheiten ihrer Patienten einheitlich zu definieren. Der gängigste Diagnoseschlüssel ist der sogenannte ICD-10. Auf Arztbriefen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen tauchen ICD-Schlüssel wie J06.9g oder H20.9g auf. Was bedeuten diese Buchstaben- und Zahlenkombinationen, und wie kann man als Patient erfahren, welche Krankheit der Arzt verschlüsselt hat?
ICD-10 ist die Abkürzung für das Englische „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“. Ins Deutsche übersetzt bedeutet es die „Internationale statistische Klassifikation von Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen“. Da es sich aktuell um die zehnte Auflage dieses Diagnoseschlüssels handelt, folgt der Abkürzung ICD eine 10. Der Diagnoseschlüssel ICD wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben und von Ärzten auf der ganzen Welt verwendet, um Krankheiten einheitlich klassifizieren zu können. In Deutschland sind Ärzte dazu verpflichtet, Krankheiten nach der deutschen Modifikation der ICD-10 (ICD-10 German Modification) zu verschlüsseln.
Ein ICD-10 Diagnoseschlüssel wie etwa „A09.9g“ ist immer nach dem gleichen Schema aufgebaut. Am Anfang der Kodierung steht ein Buchstabe, der Krankheiten aus einer großen Übergruppe umfasst. So stehen beispielsweise die Buchstaben „A“ und „B“ für bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten. Auf den Buchstaben folgt eine zweistellige Zahl, die die genauere Erkrankung beschreibt. „A09“ ist die Klassifikation für nicht näher bezeichnete Entzündungen des Magen-Darm-Traktes, die durch Bakterien, Viren oder Pilze verursacht wurde. Nach dieser Zahl können durch einen Punkt getrennt bis zu zwei weitere Zahlen folgen, um etwa eine Untergruppe der Erkrankung oder ein besonderes Krankheitsbild zu erfassen.
Abb.1: Aufbau einer ICD-10 Diagnose
„A09.9g“ bedeutet als vollständiger ICD-10 Schlüssel: Eine nicht näher bezeichnete Entzündung des Magen-Darm-Traktes, deren Ursprung nicht bekannt ist oder nicht näher bezeichnet wurde. Den Diagnoseschlüssel „g“ am Ende der Diagnose verwenden manche Ärzte, um zu beschreiben, dass die Diagnose gesichert ist. Das bedeutet, dass sie mithilfe verschiedener Tests und Untersuchungen überprüft wurde und eine große Sicherheit besteht, dass die beschriebene Krankheit auch tatsächlich bei dem Patienten vorliegt.
Mit Hilfe der ICD-10 Verschlüsselung kann diese umständliche und umfangreiche Diagnose somit leicht in einen vierstelligen Buchstaben- und Zahlencode übersetzt und so von Ärzten auf der ganzen Welt nachvollzogen werden.
Beispiel für ICD-10 Buchstaben | Erkrankungsgruppe |
---|---|
A, B | Bestimmte infektiöse und parasitäre Erkrankungen |
F | Psychische und Verhaltensstörungen |
G | Krankheiten des Nervensystems |
H | Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes |
K | Krankheiten des Verdauungssystems |
M | Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes |
Tab.1: ICD-10 Buchstabenkodierungen und deren Bedeutung
Zu den auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, im Volksmund auch Krankschreibungen, häufig genannten ICD-10 Diagnosen zählen beispielsweise B34.9g oder B34.9 g, F43.0g, H20.9g, J06.9g, K52.9g und M54.5g. Das „g“ steht jeweils für eine gesicherte Diagnose.
Der ICD-10 Diagnoseschlüssel B34.9 steht für die Diagnose „Viruskrankheit, nicht näher bezeichnet“. Dahinter verbirgt sich zum Beispiel ein Infekt der Atemwege mit Halsschmerzen, Fieber und Abgeschlagenheit, der durch eine Infektion mit Viren ausgelöst wurde. Da viele solcher „grippalen Infekte“ durch Bettruhe und körperliche Schonung ohne eine ärztliche Behandlung ausheilen und deshalb nicht genauer eingeordnet werden müssen, kodieren Ärzte sie als „nicht näher bezeichnete Viruserkrankung“.
Dieser ICD-10 Schlüssel beschreibt eine sogenannte „Akute Belastungsreaktion“. Damit ist eine Reaktion auf schwere Belastungen gemeint, wie zum Beispiel Stress im Berufsleben oder in der Familie. Der Körper kann auf eine solche Belastungsreaktion mit Schwindel, chronischer Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und vielen weiteren körperlichen Beschwerden reagieren. Ist dies der Fall, benutzt der Arzt die Diagnose F43.0 „Akute Belastungsreaktion“.
Die Diagnose H20.9 ist aus dem Bereich der Augenerkrankungen. Ärzte bezeichnen die durch sie beschriebene Erkrankung als „Iridozyklitis“. Dabei handelt es sich um eine gleichzeitige Entzündung der Regenbogenhaut des Auges (Iris) und des Strahlenkörpers (Ziliarkörper). Eine solche Entzündung führt zu Augenschmerzen und Lichtempfindlichkeit. Auch Sehstörungen können eine Folge der Iridozyklitis sein. Häufige Auslöser dieser Erkrankung sind Infektionen mit Bakterien oder die Einwirkung von schädlichen Chemikalien. Die volle Bezeichnung des ICD-Diagnoseschlüssels H20.9 lautet „Iridozyklitis, nicht näher bezeichnet“.
J06.9 ist die Klassifikation für eine „Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet“. Dieser Diagnoseschlüssel wird von Ärzten verwendet, um Infekte der oberen Atemwege, zum Beispiel im Rahmen eines grippalen Infekts, zu beschreiben.
Hinter dem Kürzel K52.9 verbirgt sich die Bezeichnung für eine Entzündung des Magen-Darm-Traktes, die nicht durch Bakterien, Viren oder Pilze verursacht wurde. Solche Entzündungen können beispielsweise durch verdorbene Lebensmittel oder Nahrungsmittelallergien ausgelöst werden. Außerdem fallen unter diese Gruppe chronische Entzündungen des Magen-Darm-Traktes, bei denen keine infektiöse Ursache festgestellt werden konnte.
Auch hinter dem ICD-10 Diagnoseschlüssel M54.5 verbirgt sich eine in Deutschland sehr häufig vorkommende Erkrankung. Der Buchstabe M beschreibt Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems oder des Bindegewebes. M54.5 ist das Kürzel für Kreuzschmerzen. Rückenschmerzen sind einer der häufigsten Gründe für Arbeitsunfähigkeit in der Bundesrepublik Deutschland.
Die deutsche Version der ICD-10 (ICD-10 German Modification) wird vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegeben. Auf der Internetseite des Instituts steht die aktuelle Version der Klassifikation für Patienten zum Download bereit. Allerdings werden die Diagnoseschlüssel dort nur in medizinischer Fachsprache erklärt. Einige Krankenkassen, wie zum Beispiel die Techniker Krankenkasse (TK), bieten auf ihrem Internetauftritt ICD-10 Suchmaschinen an. Dort können Patienten ihre ICD-10 Diagnose eingeben und erhalten eine kurze Erklärung des durch den Code verschlüsselten Krankheitsbildes.
Hausärzte zählen zu den Ärzten, die am häufigsten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Krankschreibungen) ausstellen. Wer von seinem Arzt eine solche Krankschreibung erhält, auf der ein ICD-10 Diagnoseschlüssel ohne Erklärung abgebildet ist, sollte genau nachfragen und sich die verschlüsselte Diagnose vom Hausarzt erklären lassen.
Als Patient in Deutschland hat man das Recht, Einsicht in seine Patientenakte zu erhalten. So kann man, möchte man beispielsweise mehr über die Diagnose auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfahren, den Arzt um eine Kopie der Patientenakte bitten. Dort sind alle durchgeführten Untersuchungen, Behandlungen und die vom Arzt gestellten Diagnosen aufgelistet (Das sind Ihre Patientenrechte).
Die ICD-10 Klassifizierung ist ein fester Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems. Ärzte verwenden diesen Diagnoseschlüssel seit vielen Jahren, um Krankheiten einheitlich zu kodieren und Diagnosen somit für andere Ärzte deutlich darzustellen. Doch auch als Patient ist es wichtig, die Hintergründe hinter der ICD-10 Verschlüsselung zu kennen, um Befunde nachvollziehbar zu machen. Denn nur, wer den ICD-10 Diagnoseschlüssel kennt, kann den Buchstaben- und Zahlenkombinationen auch die richtigen Krankheiten zuordnen.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Diagnoseschlüssel. Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.