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Welche Mechanismen zur Entstehung der Multiplen Sklerose (MS) führen und wie sie sich äußern




Multiple Sklerose wird auch Disseminierte Enzephalomyelitis genannt und ist eine entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems. Die Ummantelung der Nervenzellen wird geschädigt und damit die Weiterleitung von Nervensignalen gestört. Betroffene leiden unter einer Vielzahl von Symptomen, wie beispielsweise Sensibilitätsstörungen oder Lähmungen, die in Schüben auftreten. Bisher gibt es keine Heilung für Multiple Sklerose, Schübe werden meist mit Glukokortikoiden behandelt. Der folgende Text erklärt, welche Mechanismen zur Entstehung der Krankheit führen und wie sie sich äußern kann.


Wie ist das Nervensystem normalerweise aufgebaut?


Das Nervensystem besteht aus Nervenzellen (Neuronen) und Zellen, die die Neuronen umhüllen. Diese Hüll-Zellen werden im Peripheren Nervensystem (PNS), also bei allen Nerven, die vom Rückenmark abgehen, Schwann-Zellen genannt. Im Zentralen Nervensystem (ZNS), also dem Rückenmark und dem Gehirn, heißen die umhüllenden Zellen Oligodendrozyten. Diese Zellen haben lange Ausläufer, mit denen sie sich spiralförmig mehrmals um die Nervenzellen legen. Ihre Zellmembranen enthalten das Fett Myelin, weshalb die Zellschicht um die Nervenzelle Myelinscheide genannt wird.


Die Myelinscheide hat zwei Hauptfunktionen. Zum einen isoliert sie die Nervenzelle, die ihre Informationen über elektrische Ströme zur nächsten Synapse trägt. So kommen keine weiteren Nervenzellen mit der Spannung in Kontakt und die Erregung der Zelle verläuft auf geplanten Bahnen. In ihrer zweiten Funktion hilft die Myelinscheide, den Strom in der Zelle schneller weiterzuleiten.


Welcher Teil des Nervensystems wird bei der Multiplen Sklerose geschädigt?


Bei der Multiplen Sklerose greift das Immunsystem fälschlicherweise eigene Körperzellen an. Genauer sind bei dieser Krankheit die Oligodendrozyten des Zentralen Nervensystems betroffen. Damit wird die Myelinscheide der Nervenzellen im Gehirn und im Rückenmark zerstört – es wird von einer Demyelinisierung gesprochen. Die dadurch entstehende Entzündung schädigt das Gewebe zusätzlich. Durch die Schäden können Neuronen aus Versehen aktiviert werden, außerdem sinkt die Geschwindigkeit, mit der sie ihre Informationen weiterleiten können. Die Demyelinisierung kann in verschiedenen Arealen und in Schüben auftreten. Nach dem heutigen Kenntnisstand ist diese Zerstörung zumindest in späteren Stadien irreversibel, die Myelinscheiden können also nicht wieder aufgebaut werden. Zusätzlich können im späteren Verlauf der Krankheit auch die Nervenzellen selbst zu Grunde gehen.


Wie entsteht Multiple Sklerose?


Bisher ist immer noch nicht vollständig geklärt, wie Multiple Sklerose entsteht und welche Faktoren dazu beitragen, dass eine Person daran erkrankt. Klar scheint zu sein, dass das Immunsystem zu stark und an den falschen Stellen reagiert. Es ist jedoch unklar, ob vorher beispielsweise ein Kontakt zu anderen Stoffen bestanden haben muss, die den Myelinzellen ähnlich sehen und so den Körper falsch trainiert haben. Eine gewisse vererbbare Komponente scheint es zusätzlich zu geben: Menschen mit Verwandten, die an Multipler Sklerose leiden, haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls zu erkranken.


Wie äußert sich die Multiple Sklerose?


Die Multiple Sklerose kann sich, je nachdem in welchem Teil des Nervensystems die Schäden auftreten, sehr unterschiedlich äußern. Oft zeigen Betroffene als erstes Symptom Missempfindungen in Armen, Beinen oder im Gesicht. Ein weiteres häufiges Symptom zu Beginn der Erkrankung ist eine Entzündung des Sehnervs (Optikusneuropathie), bei der Sehprobleme bis zur Blindheit, meist auf nur einem Auge, auftreten. Eine Augenuntersuchung zeigt in diesen Fällen meistens keine krankhaften Veränderungen. Die Sehstörungen müssen nicht bestehen bleiben, sondern können, entweder von allein oder mit medikamentöser Therapie, wieder vollständig zurückgehen.


Typische Symptome der Multiplen Sklerose sind Missempfindungen in den Extremitäten sowie Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen. Viele Patienten haben zudem Schmerzen, Schwindel, Gangstörungen oder Probleme beim Wasserlassen.


Wie entwickelt sich Multiple Sklerose?


Typischerweise ist Multiple Sklerose eine Erkrankung, die in Schüben verläuft. Das bedeutet, dass mit einem Mal einige Symptome auftreten, dann Wochen bis Monate keine Veränderung geschieht und dann ein erneuter Schub mit neuen Symptomen eintritt. Zwischen diesen Schüben können die Symptome entweder wieder verschwinden (ein Kribbeln im Arm kann sich z.B. normalisieren) oder bestehen bleiben (z.B. eine Lähmung). In seltenen Fällen folgt die Krankheit nicht dem Schub-Muster, sondern verschlechtert sich stetig. Andere Betroffene wiederum erleben in ihrem Leben nur einige seltene Schübe und sind nur begrenzt eingeschränkt. Häufig beginnt die Krankheit vor dem 40. Lebensjahr; Frauen sind häufiger betroffen als Männer.


Wie wird Multiple Sklerose diagnostiziert?


Neben der Anamnese und der körperlichen Untersuchung ist bei der Multiplen Sklerose sehr wichtig, wie das Gehirn und das Rückenmark in der Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) aussehen. Die demyelinisierten Herde sind auf diesen Bildern als weiße Flecke zu erkennen. Für die Definition einer Multiplen Sklerose müssen diese Flecken in verschiedenen Teilen des Nervensystems zu finden sein. Zusätzlich muss sich eine zeitliche Veränderung zeigen – so könnten sich zum Beispiel in einem Bild ein Jahr später neue Flecken zeigen. Diese Befunde sind jedoch meist nicht beweisend für eine Multiple Sklerose, es müssen andere Gründe für ähnliche Symptome und Bilder ausgeschlossen werden. Dazu gehören Infektionen, Immunreaktionen auf Infektionen und bösartige Prozesse wie Tumore. Oft wird eine Probe des Nervenwassers (Liquor) über eine Lumbalpunktion an der Wirbelsäule genommen, um diese auf bestimmte Eiweiße zu testen, die bei der Multiple Sklerose häufiger auftreten.


Wie wird Multiple Sklerose behandelt?

Es existieren Behandlungen gegen Multiple Sklerose, die Krankheit gilt jedoch bisher als nicht heilbar und es gibt keine Therapie der eigentlichen Ursachen. Da es sich bei der Multiplen Sklerose um eine Krankheit handelt, bei der das Immunsystem zu aktiv ist, werden Medikamente in der Behandlung eingesetzt, die das Immunsystem unterdrücken. Dazu gehören zum Beispiel Glukokortiokoide wie das Kortison-verwandte Methylprednisolon. In den meisten Fällen werden Kortikoide in hohen Dosen eingesetzt, wenn ein Schub auftritt. Mit dieser Behandlung besteht die Hoffnung, dass sich die Symptome des Schubs zurückentwickeln. Schreitet die Krankheit schnell voran, können auch stärkere Immunsuppressiva über längere Zeit eingesetzt werden.


Welche Prognose hat Multiple Sklerose?

Die Prognose der Multiplen Sklerose ist sehr schwer zu bestimmen, da jeder Betroffene einen unterschiedlichen Verlauf haben kann. Während einige Menschen nur gelegentlich an Missempfindungen leiden, sind andere an den Rollstuhl gefesselt oder können an der Krankheit sterben. Generell handelt es sich um eine fortschreitende Krankheit, die die Patienten immer weiter einschränkt. Gehen die Symptome eines Schubs nicht wieder komplett zurück und folgen mehrere Schübe in kurzer Reihenfolge, ist dies eher als prognostisch ungünstiger Hinweis zu werden.


Quellen:

S2e-Leitlinie „Multiple Sklerose, Diagnostik und Therapie“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), online unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-050.html, abgerufen am 28.01.2016


F.D. Lublin, S.C. Reingold, J.A. Cohen et al.: “Defining the clinical course of multiple sclerosis: the 2013 revisions.” Neurology 2014.83: S.278.


Kister I, Chamot E, Salter AR, et al. Disability in multiple sclerosis: a reference for patients and clinicians. Neurology 2013.80: S. 1018.


R. Besser, G. Krämer: Multiple Sklerose: Antworten auf die 111 wichtigsten Fragen. Georg Thieme Verlag, 2006, S. 12ff.




Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Multiple Sklerose (MS). Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.

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